Unser Sauerteig
Kennen Sie Richard?
Vielleicht haben Sie unseren Brotkalender mitgenommen und wollen wissen, was es mit dem Richard auf sich hat. Oder Sie fragen sich, was da eigentlich so dran ist an dem Brot aus Mehl, Wasser und Salz. Hier möchte ich Ihnen unseren Richard vorstellen:
Richard ist unser eigener Natursauerteig. Er heißt so, weil er uns immer wieder an den Urgroßvater Richard Wetzig (geboren 1868) erinnern soll. Denn genau wie er es schon gehandhabt hat, backen wir heute noch unser Brot. Es besteht nur aus Mehl, Wasser und Salz und natürlich ein kleines Stück vom Richard.
Unser Richard begleitet uns schon viele Jahre. Als wir im Jahre 1993 den Kirchbäck wieder eröffneten, bekamen wir ein kleines Stück Sauerteig von einem Kollegen und seitdem wird er von uns vier mal am Tag gefüttert und bekommt jedes Mal ein frisches „Bett“. Er gehört sozusagen zur Familie.
Der erste Arbeitsschritt an jedem Bäckerarbeitstag mitten in der Nacht, ist den neuen Richard zu sichern. Kurz bevor der Brotteig geknetet wird, nimmt der Bäcker ein kleines Stück davon in eine extra dafür vorgesehene Schüssel und stellt es beiseite.
Das ist sozusagen der neue Richard, der darf sich jetzt erst mal ein paar Stunden von der anstrengenden Nacht ausruhen. Denn seine Arbeit ist die Entwicklung von Milchsäure- und Essigsäurebakterien und Hefen. Die dann wiederum Kohlendioxid bilden, welches die Grundlage für die Lockerung des Brotteiges ist.
Jetzt bekommt der richtig groß gewachsene Richard viel Roggenmehl, etwas Weizenmehl, Wasser und eine Handvoll Salz und wird zum Brotteig geknetet. Für die Arbeit des Knetens von Teig hatte sogar unser Urgroßvater schon eine Maschine. Diese Knetmaschinen wurde von einem Transmissionsriemenantrieb, welcher über die halbe Backstube geführt wurde, angetrieben. Sie war damals in der Umgebung eine der ersten Knetmaschinen und jetzt ist sie noch in einer historischen Windmühle in Xanten zu sehen. Wir haben sie auch schon einmal besucht.
Danach werden die Brote abgewogen und jedes einzeln gewirkt.
Das ist ganz schön anstrengend nicht nur für die Bäcker, sondern auch für die Brote.
Da ist es gut, dass sie sich erstmal eine Stunde schön im Warmen ausruhen können, also die Brote natürlich, nicht die Bäcker. Die kümmern sich in der Zwischenzeit um das Hefestück für die Brötchen.
Jetzt wird es richtig heiß, hauptsächlich für die Brote und auch für den einen Bäcker vor dem Ofen. Erst gibt es richtig Dampf und nach einer Stunde Backzeit haben die Brote alle eine schöne braune Farbe und ein herrlicher Duft zieht durch unser Haus.
Wenn man genau hinsieht, kann am es riechen.
Leider kann man diesen Duft nicht in Dosen abfüllen, sonst würden wohl alle Menschen nur noch frisches Bäckerbrot essen.
Inzwischen werden die meisten Leute ans Aufstehen denken, und unser Richard bekommt zum Frühstück eine kleine Portion Roggenmehl und Wasser und er zieht in eine größere Schüssel um.
Auch wenn der Richard so ruhig daliegt, arbeitet es in seinem Innern. Wie schon gesagt, entstehen gerade milchsäurebildende und essigsäurebildende Bakterien und Hefen. Diese lockern nicht nur den Brotteig, sondern sorgen auch dafür, dass der Gegenspieler für das im Getreide vorhandene Phytin (das ist sehr wichtig für das Wachstum des Getreidekeimlings) die Phytase ausreichend „Schlüssel“ zur Verfügung hat, um das Phytin aufzuspalten und die gesammelten Nährstoffe freizusetzen. Das klingt jetzt etwas kompliziert, läuft aber ganz von alleine ab, es benötigt nur Zeit und immer mal wieder etwas „Futter“. Und wie jedes Lebewesen reagiert auch unser Richard auf die Temperaturen. Am liebsten hat er es schön warm, aber auch nicht zu warm. Also im Hochsommer und bei Minusgraden müssen wir sehr darauf achten, wie warm das Wasser ist und wann wir ihn füttern.
Wenn unsere Bäcker dann nach Hause gehen, ist ihr letzter Arbeitsschritt den Richard zu füttern. Er bekommt jetzt eine größere Portion Roggenmehl und Wasser und darf in den kleinsten Kneter umziehen. Das Mehl und das Wasser werden ordentlich durchgeknetet und dann kann er sich wieder ausruhen. Und wie das so ist bei reichlich Futter, wächst man dann und natürlich auch in die Breite. So nach und nach füllt er in den nächsten Stunden seine neue Wohnung aus.
Bevor die Bäcker schlafen gehen muss Richard nochmal umziehen, und zwar in den großen Kessel in dem dann später der Brotteig geknetet wird. Jetzt ruht er noch ein wenig und ziemlich genau 21:30 Uhr bekommt er noch einmal ordentlich Futter, also Roggenmehl und Wasser und wird wieder geknetet.
Wenn dann wieder das Licht in der Backstube eingeschaltet wird, beginnt das Ganze vorn. So ein Richard im Haus benötigt jeden Tag seine Aufmerksamkeit und Pflege. Allerdings belohnt er uns mit einem herrlich aromatischen Brot, welches sich dazu noch gut eine Woche hält. Ein Brot was nicht schimmelt, denn die beim Wachsen entstandene natürliche Essigsäure verhindert das. Ein Brot was weder Stabilisierungsmittel, noch künstliche Emulgatoren oder Enzyme kennt.
So schließt sich der Kreis wieder, wie vorher schon gesagt:
Unser Brot enthält nur Mehl, Wasser und Salz.
Ihr Kirchbäck'